Tag 9 Sonne am See

Das Jedermannsrecht in Finnland ist eine feine Sache. Stark vereinfacht besagt es, dass Jeder – unabhängig von Pronomen, Staatsangehörigkeit oder Alter – die Natur genießen darf. „Wildes Campen“, Beeren sammeln, Bootfahren und Angeln sind mit einigen Ausnahmen erlaubt. Kinder, also die unter 18 Jahren, dürfen sowieso fast alles. Das finnische Umweltministerium hat ein übersichtliches PDF zu den Regelungen rund um das Jedermannsrecht in Finnland erstellt. Elektronische Kommunikation können die Finnen!

Beeren sammeln
Überall im Wald rund um den Campingplatz wachsen reife Blaubeeren. Allerdings wächst dort auch die schwarze Krähenbeere. Die Beeren sehen den Blaubeeren sehr ähnlich und sind zwar nicht giftig, aber auch nicht so richtig lecker.
Die wilden Blaubeeren haben nur wenig mit den kultivierten Blaubeeren zu tun, die wir aus unseren Gärten kennen. Sie sind viel kleiner, mal sauer, mal süß. Vergleichbar vielleicht eher mit der Preiselbeere, aber doch anders. Wir pflücken zwei Stunden. Die meisten Beeren landen direkt im Bauch.
Am Ende kaufe ich Blaubeeren an einem Stand in Lieksa von einer sehr netten Vietnamesin. Ich koche Blaubeer-Marmelade, die alle lieben. Im Citymarket finde dann professionelles Blaubeerpflückzubehör.

Erlaubt ist es auch, alles zu pflücken, was grasartig wächst. Die Mädchen schenken mir Blumensträuße aus schmalblättrigem Weidenröschen, Labkraut, Lupinen, Schafgarbe, Mädesüß und Margeriten. Das wächst hier alles wild und üppig. Finnland ist wahrlich ein reiches Land!

Angeln
Reich auch an Fischgründen. Pixie hat sich im Outdoor-Shop eine einfache Angelrute gekauft. Nachdem drei Erwachsene trotz diverser Tutorials an der Montage der Leine scheitern, laufe ich zur Rezeption des Campingplatzes. Als mich der Betreiber des Campingplatzes entdeckt, wie ich hoffnungslos verheddert in der Leine, mit dem Angelhaken verfangen in meinen Haaren, beim Versuch scheitere, mit der Angel in sein Büro zu gehen, reagiert er mit einem finnischen Gefühlsausbruch. Er lächelt und das Lächeln erreicht sogar seine Augen.
Dann entheddert er erst mich und dann eine halbe Stunde stoisch die Leine. Etwas weniger geduldig stehe ich daneben und monologisiere hin und wieder auf Englisch vor mich hin.
Was im Anschluss beginnt, lässt sich zu Recht als große Leidenschaft beschreiben: Pixie und das Angeln.
Am ersten Abend fangen die Kinder drei Barsche und eine Brasse. Alle ingesamt klein, aber der Spaß ist riesig. Anfragen der Verwandtschaft, ob die Fische sich nicht auch gegrillt gut machten, werden vehement zurück gewiesen. Der Moment, in dem die munteren Kameraden wieder in den See springen, ist fast so schön wie der Erfolg beim Fischen.

Einen Lachs grillen wir dennoch. Ich kaufe „einen richtig großen Oschi“ für 25 Euro im Citymarket, meiner neuen zweiten Heimat. Die Männer bereiten ihn über Birkenholz auf der Feuerstelle zu. Wir essen, während im Westen hinter dem Sägewerk die Sonne eines ihrer Abschiedsspektakel aufführt.